www.vehrigs.devon Rudolf Jankuhn
Die Malerin Ursula Vehrigs
Ursula Vehrigs wurde im Januar 1893 in der Nähe von Mertendorf auf dem Schachtberg geboren. Ihr Großvater Friedrich Vehrigs hatte im 19. Jh. in dieser Gegend mehrere Braunkohlengruben gegründet, darunter auch die Grube am Mertendorfer Schachtberg. Die Leitung des Betriebes ging an seinen Sohn Hugo über, der sich auch auf dem Schachtberg niederließ. Als die Grube 1907 geschlossen wird, betreibt dieser in Mertendorf ein Klinker- und Steinzeugwerk. Seine Frau Margarete hatte eine ausgeprägte musische Begabung, die sie an ihre beiden Töchter Ursula und Margot weitergab.
Margot auf dem Weg nach Rathewitz, Öl auf Leinwand, um 1911 | Ursula Vehrigs mit dem Fahrrad, um 1909 Berlin Grunewald |
In diesen Jahren führen sie Reisen in die Alpen und an die Nordsee (Sylt), wo naturalistische und impressionistische Arbeiten entstehen. Das Jahr 1911 bringt einen starken Wandel ihrer Stilmittel. Wiederum von Reisen nach München, Murnau, in die Ötztaler Alpen und nach Venedig bringt sie Bilder mit, die deutlich Kirchner‘sche Gestaltungsmittel verraten. Ein Bild aus Murnau, wo auch eine Begegnung mit Gabriele Münter stattfand, zeigt durchaus eine gewisse Nähe zu deren Arbeiten aus dieser Zeit. Sie lernt nun die Arbeiten der Künstler des „Blauen Reiters“ kennen. 1912 folgt dann eine Reise in die Schweiz. In Wengen entsteht das Bild „Waldschneise“, im Gestus und Farbakkord der „Brücke“ gehalten. 1913 eine Reise nach Belgien, Paris und Südfrankreich. Sind die Bilder aus Nieuwport und Ostende eher malerische Rückgriffe, so scheint sie in Frankreich den monochromen Klang Monet‘scher Bilder aufzunehmen und in der „Sitzenden von Boulouris“ zu verarbeiten, bzw. im „Pinienhain von Nizza“ fauvistische Akzente zu setzen. In den Jahren vor dem ersten Weltkrieg entwickelt sich ihre Bildersprache in der Auseinandersetzung mit den expressiven Avantgardeströmungen weiter.
Margot Vehrigs mit ihrem Vater Hugo Vehrigs 1917 | Margot vor der Fabrik in Mertendorf 1917, Öl auf Malpappe |
Gleich nach
Kriegsende zieht sie wieder
nach Berlin, an den Kurfürstendamm 35.1919 geht sie
für
einige
Zeit nach München an die Malschule von Hans Hofmann. Hofmann
selber
hatte seine künstlerischen Anfänge in
München, lebte
dann
lange in Paris und emigrierte 1933 in die USA. Er avancierte dort zu
den
bedeutendsten Kunstpädogogen Amerikas. Für Hofmann
wie
für
seine Schülerin Ursula Vehrigs blieb die Farbe immer das
zentrale
bildnerische Gestaltungsmittel. In den Jahren nach München
scheint
das Menschenbildnis in den Vordergrund ihres Interesses zu
rücken.
Eine Reihe interessanter Portraits insbesondere auch von Frauen
entstehen.
Wesentlich aus der Farbe heraus strukturiert, erlaubt ihre Transparenz
einen subtilen Einblick in die Persönlichkeit der
Dargestellten.
1925
stirbt ihr Stiefvater Ernst Weber. Die finanziell weitgehend
unabhängige
Künstlerin geht nun nach Paris an die Academie Moderne von
Fernand
Leger. Dort wird sie mit einer gänzlich anders gearteten
Malerei
konfrontiert,
dem „Nouveou Realisme“. Formal
konstruktivistisch-kubistisch, setzt er
sich im Kern mit dem Verhältnis des Menschen zu einer sich
dramatisch
verändernden technisierten Welt auseinander.
Johanna Delbrück, Öl auf Leinwand, 1926 | Mary Schering, Öl auf Leinwand, 1924 |
1943 wird ihr
Atelier ausgebombt (wobei
ein Teil Ihres Werkes verlorengeht) und sie kehrt nach Mertendorf
zurück.
Der Schachtberg wird Stätte der Zuflucht für viele
Freunde.
Das
Ende des Krieges 1945 erweckt neue künstlerische Impulse und
Hoffnungen.
Der Farbakkord ihrer Bilder bekommt wieder seinen früheren
expressiven
Klang. Der Neubeginn des öffentlichen Lebens
ermöglicht die
Wiedergewinnung
einer künstlerischen Identität. Die Phase relativer
Öffnung
ist allerdings nur von sehr kurzer Dauer. Anfang der 50er Jahre lenkt
neuer
staatlicher Kulturdirigismus das Interesse auf Kunst und
Künstler,
die vermeintlich oder wirklich politisch genehm oder vereinnahmbar
waren.
Kunst der Art von Ursula Vehrigs erschien in diesem Lichte
bürgerlich
überholt, gesellschaftlich irrelevant. Die Schwester Margot
ging
nach
dem Krieg in den Westen nach München, die Mutter stirbt 1949.
Ursula
Vehrigs ist jetzt allein verantwortlich für den Schachtberg,
wo
sie
zusammen mit anderen vom Schicksal und Wohnungsnot dort Hingetriebenen
lebt. Die Alltagssorgen nehmen großen Raum ein. Die
künstlerische
Arbeit wird zur wichtigsten Nebensache, die Resonanz im gesamten Umfeld
ist ohnehin gering. Ganz kann sie aber auch 1960 noch nicht aus allen
kulturellen
Bezügen herausgefallen sein, denn es kommt zu
Ausstellungsbeteiligungen
in Halle und dem Naumburger Salztor. In Naumburg hat sie Kontakt zu
ihren
Künstlerkollegen Bernd Grothe und Grete Tschaplowitz.
Frieda Hartmann,Öl auf Leinwand, 50er Jahre | Bernd Grothe, Öl auf Leinwand, 50er Jahre |
Ursula Vehrigs 1969 mit einem Bild aus ihrer Pariser Zeit |
Rudolf Jankuhn
George Scheffauer, Öl auf Malpappe, 1930 | Fritz Stahl, Öl auf Leihnwand, 1927 |
1893 | (12. Januar) geb. in Mertendorf bei Naumburg. Verbringt dort auf dem Schachtberg ihre ersten Lebensjahre. Ihre Eltern waren Hugo und Margarete Vehrigs, geb.Vogt. 1895 wird ihre Schwester Margot geboren. |
1904 | Ihre Mutter heiratet den Physiologen Ernst Weber und zieht nach Berlin. |
1904 - 1907 | Besuch des Steiberschen Institutes, eines Mädchenpensionates, in Leipzig |
1907 | Umsiedlung nach Berlin-Grunewald, Besuch des Gymnasiums, Besuch der Malschule des 'Vereins der Berliner Künstlerinnen' |
1910 - 13 | Reisen in die Alpen, nach Sylt, 1911 nach Süddeutschland, Murnau u.Venedig, 1913 nach Ostende, Paris und Nizza |
1919 | Umzug an den Kurfürstendamm 35, Besuch der Malschule von Hans Hofmann in München |
1924 | Reise nach Capri, Ernst Weber stirbt |
1925 - 26 | Besuch der Academie Moderne in Paris, Schülerin von Fernand Leger, Ausstellung in der Galerie D'Art Contemporain |
1926 | Rückkehr nach Berlin |
1928/30/31 | Beteiligung an der 'Großen Berliner Kunstausstellung' u.a. mit der Novembergruppe |
1929 | Btlg. an der Ausstellung ' Die Frau von heute ' des Vereins der Berliner Künstlerinnen |
1939 | stirbt der Vater Hugo Vehrigs |
1943 | Ausbombung ihres Ateliers in Berlin und Rückkehr nach Mertendorf |
1946 - 49 | Beteiligung an den Kunstausstellungen des Landes Sachsen-Anhalt in Halle auf der Moritzburg |
1949 | Btlg. an der Ausstellung ' Mensch und Arbeit' in Berlin-Ost, im Großen Stadtkontor |
1950 -1952 | Austellungsbeteiligungen in Weissenfels |
1960 | Salztor, Naumburg |
1967 | Siemens AG, München |
1968 | Romanisches Haus, Bad Kösen bis zu ihrem Tode 1972 alljährliche Besuche bei ihrer Schwester in München |
Literatur
Austellungskatalog,
"
Leger
et L'Esprit Moderne", Musee d'Art Moderne de la ville de Paris, Paris
1982
Ulrike
Evers,
"Deutsche
Künstlerinnen des 20.Jahrhunderts", Ludwig Schultheiss-Verlag,
Hamburg
1983
Ausstellungskatalog,
'Klassische
Moderne', Galerie Hagemeier, Frankfurt/Main, 1989
Ausstellungskatalog,
"125
Jahre Verein der Berliner Künstlerinnen", Kupfergraben-Verlag,
Berlin
1992
Rainer
Zimmermann, "
Expressiver
Realismus", Hirmer-Verlag, München 1994
Ausstellungskatalog,
" Die
Novembergruppe", Galerie Bodo Niemann, Berlin 1994
Ausstellungen
seit 1972
1981
Galerie Rose
Lörch
1986
Mora, Berlin
1989
Galerie Schwind,
Frankfurt
1990
Atelier Berger
Straße,
Frankfurt
1992
Beteiligung " 125
Jahre
Berliner Künstlerinnen-Verein", Martin-Gropius-Bau,
Berlin
1993
Dresdner Bank,
Naumburg
1994
Btlg. " Die
Novembergruppe",
Galerie Bodo Niemann, Berlin
1996
Btlg. "
Münchener
Kunst von 1890 -1990", Galerie Bernd Dürr, München
1997
Museumseck, Stadt
Naumburg
1998
Btlg. "Die
närrischen
Weiber", Künstlerinnen in Deutschland 1900-1935, Galerie Bernd
Dürr,
München
Mitglied
im 'Verein der
Berliner
Künstlerinnen'
Mitglied
im ' Deutschen
Künstlerbund '
Mitglied
in der
'Gewerkschaft
Kunst und Schrifttum', FDGB
Veranstaltungen
Veranstaltung im Naumburger Kunstverein im Januar 2006 |
Julia Kerr, Öl auf Leinwand, 1923 |
Zu meiner
Person:
Rudolf
Jankuhn
1949
in Berlin geboren
von
1990 bis 2000 in
Frankfurt/Main
ab August 2000 wieder in
Berlin
1982-
85 Studium der
Kunstgeschichte
in Berlin
1985
Beginn eigener
künstlerischer
Arbeit
Kursleiter
für
Malerei
und kunstgeschichtliche Themen
Mit
der Schwester der
Künstlerin
Margot Hofmeier habe ich in den Jahren 1978 - 81 anhand der vorhandenen
Dokumente und Bilder mit der Zusammenstellung und Bearbeitung des
Werkes
von Ursula Vehrigs begonnen. Seitdem bin ich an der Organisation und
Vorbereitung
der verschiedenen Ausstellungen beteiligt gewesen. Der
Nachlaß
befindet
sich in meiner Obhut.