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Die Malerin Ursula Vehrigs
von Rudolf Jankuhn

AKTUELL
Ausstellung vom 16.05. - 14.06.2015 in Mertendorf in der Alten Schule Kirche

Ursula Vehrigs

Weitere Informationen und Bilder vom Autor Rudolf Jankuhn.

Das Buch über die Malerin kann bestellt werde n.


Ursula Vehrigs 1926 in Paris Ursula Vehrigs 1956 in Köln

Ursula Vehrigs wurde im Januar 1893 in der Nähe von Mertendorf auf dem Schachtberg geboren. Ihr Großvater Friedrich Vehrigs hatte im 19. Jh. in dieser Gegend mehrere Braunkohlengruben gegründet, darunter auch die Grube am Mertendorfer Schachtberg. Die Leitung des Betriebes ging an seinen Sohn Hugo über, der sich auch auf dem Schachtberg niederließ. Als die Grube 1907 geschlossen wird, betreibt dieser in Mertendorf ein Klinker- und Steinzeugwerk. Seine Frau Margarete hatte eine ausgeprägte musische Begabung, die sie an ihre beiden Töchter Ursula und Margot weitergab.


Margot auf dem Weg nach Rathewitz, Öl auf Ursula Vehrigs mit dem Fahrrad, um 1909 Berlin
Margot auf dem Weg nach Rathewitz, Öl auf Leinwand, um 1911 Ursula Vehrigs mit dem Fahrrad, um 1909 Berlin Grunewald

1904 lassen sich die Eltern scheiden und die Mutter heiratet den Physiologen Ernst Weber in Berlin. Die beiden Töchter, die 1902-1906 in Leipzig zur Schule gehen, folgen 1907 in die Hauptstadt. Ursula Vehrigs holt sich in der Malschule des Vereins der Berliner Künstlerinnen, die sie 1908-10 besucht, ihr künstlerisches Rüstzeug. Der Verein war 1867 von vier Künstlerinnen als Hilfe zur Selbsthilfe gegründet worden. Um die Jahrhundertwende avancierte er und seine Zeichen - und Malschule zu einer überregional anerkannten Institution. Einer ihrer Lehrer dort ist George Mosson, Mitglied der „Vereinigung der Elf“ und Secessionsmitbegründer. Er übt malerisch einen eher mäßigenden Einfluß auf die junge Künstlerin aus.

In diesen Jahren führen sie Reisen in die Alpen und an die Nordsee (Sylt), wo naturalistische und impressionistische Arbeiten entstehen. Das Jahr 1911 bringt einen starken Wandel ihrer Stilmittel. Wiederum von Reisen nach München, Murnau, in die Ötztaler Alpen und nach Venedig bringt sie Bilder mit, die deutlich Kirchner‘sche Gestaltungsmittel verraten. Ein Bild aus Murnau, wo auch eine Begegnung mit Gabriele Münter stattfand, zeigt durchaus eine gewisse Nähe zu deren Arbeiten aus dieser Zeit. Sie lernt nun die Arbeiten der Künstler des „Blauen Reiters“ kennen. 1912 folgt dann eine Reise in die Schweiz. In Wengen entsteht das Bild „Waldschneise“, im Gestus und Farbakkord der „Brücke“ gehalten. 1913 eine Reise nach Belgien, Paris und Südfrankreich. Sind die Bilder aus Nieuwport und Ostende eher malerische Rückgriffe, so scheint sie in Frankreich den monochromen Klang Monet‘scher Bilder aufzunehmen und in der „Sitzenden von Boulouris“ zu verarbeiten, bzw. im „Pinienhain von Nizza“ fauvistische Akzente zu setzen. In den Jahren vor dem ersten Weltkrieg entwickelt sich ihre Bildersprache in der Auseinandersetzung mit den expressiven Avantgardeströmungen weiter.


Margot Vehrigs mit ihrem Vater Hugo Vehrigs 1917 Margot vor der Fabrik in Mertendorf 1917, Öl auf Malpappe
Margot Vehrigs mit ihrem Vater Hugo Vehrigs 1917 Margot vor der Fabrik in Mertendorf 1917, Öl auf Malpappe


Der Kontakt zu ihrem Vater in Mertendorf war in all den Jahren nie abgebrochen. Während des Ersten Weltkrieges hält sie sich längere Zeit dort auf. Wir kennen aus dieser Zeit das Bildnis ihrer Schwester vor der väterlichen Fabrik und einige Darstellungen des Schachtberges. Ursula Vehrigs verbindet hier eine expressive Formgebung mit einer dunkel konturierten monochromen Palette.

Gleich nach Kriegsende zieht sie wieder nach Berlin, an den Kurfürstendamm 35.1919 geht sie für einige Zeit nach München an die Malschule von Hans Hofmann. Hofmann selber hatte seine künstlerischen Anfänge in München, lebte dann lange in Paris und emigrierte 1933 in die USA. Er avancierte dort zu den bedeutendsten Kunstpädogogen Amerikas. Für Hofmann wie für seine Schülerin Ursula Vehrigs blieb die Farbe immer das zentrale bildnerische Gestaltungsmittel. In den Jahren nach München scheint das Menschenbildnis in den Vordergrund ihres Interesses zu rücken. Eine Reihe interessanter Portraits insbesondere auch von Frauen entstehen. Wesentlich aus der Farbe heraus strukturiert, erlaubt ihre Transparenz einen subtilen Einblick in die Persönlichkeit der Dargestellten. 1925 stirbt ihr Stiefvater Ernst Weber. Die finanziell weitgehend unabhängige Künstlerin geht nun nach Paris an die Academie Moderne von Fernand Leger. Dort wird sie mit einer gänzlich anders gearteten Malerei konfrontiert, dem „Nouveou Realisme“. Formal konstruktivistisch-kubistisch, setzt er sich im Kern mit dem Verhältnis des Menschen zu einer sich dramatisch verändernden technisierten Welt auseinander.


Johanna Delbrück, Öl auf Leinwand, 1926 Mary Schering, Öl auf Leinwand, 1924
Johanna Delbrück, Öl auf Leinwand, 1926 Mary Schering, Öl auf Leinwand, 1924


11/2 Jahre später kehrt sie nach Berlin zurück und knüpft dort bald wieder an ihren früheren expressiv-realistischen Malstil an. Die neusachlichen und auf die Vormoderne zurückweisenden Tendenzen in der Kunst der 2. Hälfte der 20er Jahre gewinnen auch bei ihr an Einfluß. Neben starken Bildnissen, wie etwa denen von Fritz Stahl, Johanna Delbrück, George Scheffauer entstehen auch Kompositionen, in denen ein gewisser repräsentativer Charakter zum tragen kommt. Auf der Ausstellung „Die Frau von heute“ im Jahre 1929, veranstaltet vom „Verein Berliner Künstlerinnen“, zeigen 60 Frauen Bildnisse von Frauen, darunter auch Ursula Vehrigs.



Trotz des anspruchsvollen Ausstellungsmottos wird dort ein eher konventionelles Frauenbild in einer entsprechend traditionellen Ästhetik präsentiert. Mit den restaurativen Tendenzen in der Gesellschaft korrespondieren parallele Strömungen in der Kunst. Die Eigenständigkeit vieler Künstlerinnen dieser Jahre ist offensichtlich noch nicht so ausgeprägt, daß dieser Entwicklung mit eigenen Antworten begegnet werden kann. Statt dessen reagiert man mit einer gewissen Bereitschaft zur Anpassung. Wenn wir uns die Tendenz eines Teils ihrer Arbeiten aus dieser Sicht anschauen, wissen wir, daß dies auch für Ursula Vehrigs zutrifft. Das Ende der Weimarer Republik bedeutet für sie, wie auch für viele andere, das Auseinanderreißen ihres Freundes- und Bekanntenkreises und den Weg in die künstlerische Diaspora während der Hitlerjahre.

1943 wird ihr Atelier ausgebombt (wobei ein Teil Ihres Werkes verlorengeht) und sie kehrt nach Mertendorf zurück. Der Schachtberg wird Stätte der Zuflucht für viele Freunde. Das Ende des Krieges 1945 erweckt neue künstlerische Impulse und Hoffnungen. Der Farbakkord ihrer Bilder bekommt wieder seinen früheren expressiven Klang. Der Neubeginn des öffentlichen Lebens ermöglicht die Wiedergewinnung einer künstlerischen Identität. Die Phase relativer Öffnung ist allerdings nur von sehr kurzer Dauer. Anfang der 50er Jahre lenkt neuer staatlicher Kulturdirigismus das Interesse auf Kunst und Künstler, die vermeintlich oder wirklich politisch genehm oder vereinnahmbar waren. Kunst der Art von Ursula Vehrigs erschien in diesem Lichte bürgerlich überholt, gesellschaftlich irrelevant. Die Schwester Margot ging nach dem Krieg in den Westen nach München, die Mutter stirbt 1949. Ursula Vehrigs ist jetzt allein verantwortlich für den Schachtberg, wo sie zusammen mit anderen vom Schicksal und Wohnungsnot dort Hingetriebenen lebt. Die Alltagssorgen nehmen großen Raum ein. Die künstlerische Arbeit wird zur wichtigsten Nebensache, die Resonanz im gesamten Umfeld ist ohnehin gering. Ganz kann sie aber auch 1960 noch nicht aus allen kulturellen Bezügen herausgefallen sein, denn es kommt zu Ausstellungsbeteiligungen in Halle und dem Naumburger Salztor. In Naumburg hat sie Kontakt zu ihren Künstlerkollegen Bernd Grothe und Grete Tschaplowitz.


Frieda Hartmann,Öl auf Leinwand, 50er Jahre Bernd Grothe, Öl auf Leinwand, 50er Jahre
Frieda Hartmann,Öl auf Leinwand, 50er Jahre Bernd Grothe, Öl auf Leinwand, 50er Jahre


1969 wird der Leiter des „Romanischen Hauses“ in Bad Kösen, Jochen Gericke, auf sie aufmerksam. Es folgen Besuche, ein Artikel in der damaligen LDZ und eine Ausstellungsbeteiligung in der Kösener Kunsthalle. Die trotz ihres fortgeschrittenen Alters noch immer schaffensfrohe Malerin kann ihre Schwester in München fast alljährlich besuchen. Über die Jahre bringt sie eine erhebliche Anzahl von Leinwänden illegal im Koffer mit nach München. Auf diese Weise kommt zwar eine kleine Ausstellung bei Siemens in München zustande, der Versuch in der bayerischen Hauptstadt eine größere Werkschau zu veranstalten, scheitert jedoch immer wieder an Kosten- und Organisationsfragen.

Ursula Vehrigs 1969 mit einem Bild aus ihrer Pariser Zeit
Ursula Vehrigs 1969 mit einem Bild aus ihrer Pariser Zeit


1972 stirbt Ursula Vehrigs in Mertendorf, von der näheren Umgebung und der heimischen Kulturbürokratie in ihrem künstlerischen Potential kaum noch wahrgenommen. Ihr Name und ihr Werk verschwinden rasch aus dem öffentlichen Gedächtnis. In den folgenden Jahren geht der gesamte bis dahin noch erhalten gebliebene Familiennachlaß, darunter nicht nur das Mobiliar des Vehrig‘schen Hauses, sondern auch Ursula Vehrigs‘ Zeichnungen, Aquarelle, Drucke und Briefe durch die Veruntreuung des Verwalters verloren. Gleichzeitig bemüht sich ihre Schwester weiterhin um eine Ausstellung im Westen. Obwohl die Naumburger Behörden die Ausfuhr der noch verbliebenen 30 Ölbilder aus dem Nachlaß genehmigen, werden diese von den DDR-Grenzbehörden beschlagnahmt. Auch diese Bilder sind seither verschollen. Erst 1981 kommt es zur ersten größeren Ausstellung mit Werken der Mertendorfer Künstlerin Ursula Vehrigs in München.

Rudolf Jankuhn


George Scheffauer (um 1930,Öl auf Malpappe) Fritz Stahl, Öl auf Leihnwand, 1927
George Scheffauer, Öl auf Malpappe, 1930 Fritz Stahl, Öl auf Leihnwand, 1927


Lebensdaten
 
1893 (12. Januar) geb. in Mertendorf bei Naumburg. Verbringt dort auf dem Schachtberg ihre ersten Lebensjahre. Ihre Eltern waren Hugo  und Margarete Vehrigs, geb.Vogt. 1895 wird ihre Schwester Margot geboren. 
1904 Ihre Mutter heiratet den Physiologen Ernst Weber und zieht nach Berlin.
1904 - 1907 Besuch des Steiberschen Institutes, eines Mädchenpensionates, in Leipzig 
1907  Umsiedlung nach Berlin-Grunewald, Besuch des Gymnasiums, Besuch der Malschule des    'Vereins der Berliner Künstlerinnen'
1910 - 13  Reisen in die Alpen, nach Sylt, 1911 nach Süddeutschland, Murnau u.Venedig, 1913 nach Ostende, Paris und Nizza
1919 Umzug an den Kurfürstendamm 35, Besuch der Malschule von Hans Hofmann in München
1924 Reise nach Capri, Ernst Weber stirbt
1925 - 26  Besuch der Academie Moderne in Paris, Schülerin von Fernand Leger, Ausstellung in der Galerie D'Art Contemporain
1926 Rückkehr nach Berlin
1928/30/31  Beteiligung an der 'Großen Berliner Kunstausstellung' u.a. mit der Novembergruppe
1929 Btlg. an der Ausstellung ' Die Frau von heute ' des Vereins der Berliner Künstlerinnen
1939 stirbt der Vater Hugo Vehrigs
1943 Ausbombung ihres Ateliers in Berlin und Rückkehr nach Mertendorf
1946 - 49  Beteiligung an den Kunstausstellungen des Landes Sachsen-Anhalt in Halle auf der Moritzburg
1949  Btlg. an der Ausstellung ' Mensch und Arbeit' in Berlin-Ost, im Großen Stadtkontor
1950 -1952 Austellungsbeteiligungen in Weissenfels 
1960  Salztor, Naumburg
1967  Siemens AG, München
1968 Romanisches Haus, Bad Kösen 
bis zu ihrem Tode 1972 alljährliche Besuche bei ihrer Schwester in München

Literatur

Austellungskatalog, " Leger et L'Esprit Moderne", Musee d'Art Moderne de la ville de Paris, Paris 1982
Ulrike Evers,  "Deutsche Künstlerinnen des 20.Jahrhunderts", Ludwig Schultheiss-Verlag, Hamburg 1983
Ausstellungskatalog, 'Klassische Moderne', Galerie Hagemeier, Frankfurt/Main, 1989
Ausstellungskatalog, "125 Jahre Verein der Berliner Künstlerinnen", Kupfergraben-Verlag, Berlin 1992
Rainer Zimmermann, " Expressiver Realismus", Hirmer-Verlag, München 1994
Ausstellungskatalog, " Die Novembergruppe", Galerie Bodo Niemann, Berlin 1994


Ausstellungen

seit 1972

1981 Galerie Rose Lörch
1986 Mora, Berlin
1989 Galerie Schwind, Frankfurt
1990 Atelier Berger Straße, Frankfurt
1992 Beteiligung " 125 Jahre Berliner Künstlerinnen-Verein",  Martin-Gropius-Bau, Berlin
1993 Dresdner Bank, Naumburg
1994 Btlg. " Die Novembergruppe", Galerie Bodo Niemann, Berlin
1996 Btlg. " Münchener Kunst von 1890 -1990", Galerie Bernd Dürr, München
1997 Museumseck, Stadt Naumburg
1998 Btlg. "Die närrischen Weiber", Künstlerinnen in Deutschland 1900-1935, Galerie Bernd Dürr, München

Mitglied im 'Verein der Berliner Künstlerinnen'
Mitglied im ' Deutschen Künstlerbund '
Mitglied in der 'Gewerkschaft Kunst und Schrifttum', FDGB


Veranstaltungen

Veranstaltung im Naumburger Kunstverein im Januar 2006

 

Julia Kerr, Öl auf Leinwand, 1923  



Autor: Rudolf Jankuhn
(Neu) Weitere Informationen und Bilder von Rudolf Jankuhn

Zu meiner Person:
Rudolf Jankuhn
1949 in Berlin geboren
von 1990 bis 2000 in Frankfurt/Main
ab August 2000 wieder in Berlin

1982- 85 Studium der Kunstgeschichte in Berlin
1985 Beginn eigener künstlerischer Arbeit
Kursleiter für Malerei und kunstgeschichtliche Themen

Mit der Schwester der Künstlerin Margot Hofmeier habe ich in den Jahren 1978 - 81 anhand der vorhandenen Dokumente und Bilder mit der Zusammenstellung und Bearbeitung des Werkes von Ursula Vehrigs begonnen. Seitdem bin ich an der Organisation und Vorbereitung der verschiedenen Ausstellungen beteiligt gewesen. Der Nachlaß befindet sich in meiner Obhut.
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erstellt am: 25.03.2000 geändert 11.02.2001 u. 10.03.2006 u. 15.05.2015© Rudolf Jankuhn